Eine Kuh für Hillary
Hillary Clinton besuchte die Frauen aus dem Dorf Maishahati und stellte ihre Fragen. Die Frauen sagten auch alle ganz stolz: Ja, sie hätten ein eigenes Einkommen und auch "Eigenkapital" in Form von Kühen, Hühner, Geflügel usw. ... Dann fragten sie Hillary. Nach den Antworten meinten sie: "Poor Hillary! Hillary hat keine Kuh, kein eigenes Einkommen, und sie hat nur eine Tochter. Hillary war in den Augen der Dorffrauen aus Bangladesh nicht "empowered", keine ermächtigte Frau. Eigentlich hatten sie Mitleid mit ihr." (S. 7) |
Nachdem ich meine Ökofeminismus-Studien schon einmal beinahe abgeschlossen hatte, bekam ich vor einigen Wochen von einem 85-jährigen Volkswirt ein neues Buch von Veronika Bennholdt-Thomsen und Maria Mies: "Eine Kuh für Hillary. Die Subsistenzperspektive" (München 1997) geschenkt. Da ich gerade an dem Ökonomieteil für mein zweites Buch arbeite, kam es gerade recht, um mich in einigen Fragen neu zu verunsichern und zum Denken anzuregen. Die Autorinnen dieses Buches schauen sich unsere Wirtschaftswelt konsequent aus der SUBSISTENZPERSPEKTIVE heraus an. Dies bedeutet ein Infragestellen grundlegender ökonomischer Lehren. Ein wesentlicher Punkt ist die Feststellung, daß die Ökonomie als Geldwirtschaft unser gesellschaftliches Leben erst seit dem 19. Jahrhundert dominiert (nach Polanyi). Wir selbst sind mit dem Dogma der Dominanz der ökonomischen Effektivität aufgewachsen (ob in Ost oder West). Alles muß sich rechnen, rentieren. Wir leben in ständiger Angst vor Mangel und Knappheit. Wir haben zu akzeptieren, daß wir als "homo eoconomicus" leben sollen. Die Marktwirtschaft in der amerikanisch-europäischen Form soll die "natürliche" sein.Dies wird begründet damit, daß sich die Menschen in einer harten Geschichte aus ständiger Armut und Not herausgearbeitet und endlich diese endgültige Zivilisationsstufe erreicht haben. Knappheit an Gütern zur Bedürfnisbefriedigung wird deshalb vorausgesetzt (Grundthese der Volkswirtschaftslehre ist diese Knappheit, die zu "wirtschaftlichem" Umgang mit den Gütern zwinge (vgl. Dirnhofer u.a.).Tatsächlich jedoch und fast völlig unbekannt ist die Tatsache, daß z.B. die afrikanischen Buschmänner nur 6 Stunden am Tag "arbeiten" und dabei 2140 Kalorien pro Tag konsumieren. Im südlichen Afrika, unter "zivilisierten" Bedingungen dagegen, muß jeder Afrikaner mit durchschnittlich 1300 Kalorien auskommen (Bennholdt-Thomsen, Mies S. 59, auch weitere Seitenangaben ohne Namen hieraus). Auch für steinzeitliche Kulturen allgemein wurden die früheren Ansichten von ständigem Elend und Not inzwischen revidiert (Sahlings). Wenn wir uns dagegen die heute in den wirtschaftstheoretischen Himmel gehobene " Produktivität" betrachten, so berücksichtigt das Bruttosozialprodukt keine lebensschaffenden und -erhaltenden Arbeiten von Hausfrauen, Müttern und SubsistenzbäuerInnen, jedoch u.a. die Rüstungsindustrie, Waffenhandel und Umweltzerstörung. Während sich das Bruttosozialprodukt in den USA von 1950 bis 1990 verdoppelte, sank die Lebensqualität (mittels 20 Indikatoren wie Umweltbedingungen, Ackerbodenverlust ermittelt) wesentlich.Damit müssen auch Ansichten aus dem traditionellen Marxismus hinterfragt werden.
Die kapitalistisch-partriachale Wirtschaft wird als Eisberg dargestellt (S. 38):
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Erschütternd sind die Beispiele zur Zerstörung der Subsistenzgrundlagen von Menschen (die man nur wahrnimmt, wenn man sich nicht über scheinbare Modernisierungen als Fortschritt freut, sondern konsequent die Subsistenzperspektive einnimmt):
Enteignung der Allmende Freihandel mit Lebensmitteln Technisierung ® Hunger: |
Unsere "Supermärkte können aber nur gefüllt werden, wenn die transnationalen Agrar-, Chemie- und Nahrungsmittelkonzerne weiterhin freien Zugriff auf immer mehr Allmenden in Ländern wie Papua-Neuguinea haben." (180) |
EU:
Deutschland
Wenn die Subsistenzperspektive bereits den Blick auf die Weltprobleme und ihre Hintergründe geschärft hat, so hilft sie auch bei der Suche nach Auswegen:Als Ziel soll in einer "moralischen Ökonomie", jedem Menschen aufgrund seiner Existenz Zugang zu den Produktionsvoraussetzungen zugebilligt (werden), damit er überleben kann"(94). "Leben ist nicht mehr Nebeneffekt unendlicher Geldvermehrung, sondern das Hauptziel des Arbeitens." (63) Grundlage dafür ist die Abschaffung der Erpreßbarkeit der Menschen durch: Wiedererfindung der Allmende (63)Marx bezog die "Enteignung der Enteigner" auf PRODUKIONSmittel, weil er auf hohe Technisierung, Maschinisierung mit hohen Produktivkräften zur Befreiung der Arbeit und von der Arbeit Wert legte. Heute muß man tiefer greifen: Auch um dieses zu erreichen, dürfen Menschen nicht substantiell erpreßbar sein (Arbeitsplätze werden wichtiger als alles andere, wenn keine andere Beschaffung des Lebensnotwendigen möglich ist). Die Wiedergewinnung der Subsistenz ist deshalb absolut vorrangig "sonst hängen alle Forderungen nach Freiheit, Selbstbestimmung, Autonomie in der Luft" (164) . Wichtig ist deshalb jeglicher Abwehrkampf gegen IFW etc, statt weitere Proletarisierung (103)Genauso wichtig ist es, statt auf neue Lohnarbeitsplätze zu orientieren, neue Lebensplätze zu schaffen (64).Diese sind sinnvoll aber nur in regionalisierter, dezentralisierter Form (62, 67). Wenn Robert Kurz meint: "aber wer sagt uns denn, daß die Alternative eine kommerzielle sein muß?" (zit. S. 189), stimmen ihm V. Bennholdt-Thomsen und M.Mies zu. Allerdings haben sie etwas gegen seine Vermutung: "Vielleicht gehört die Zukunft einer "mikroelektronischen Naturalwirtschaft" auf genossenschaftlicher Basis." (zit. S. 190) "Wir glauben nicht an die Möglichkeit der dezentralen Verwendung von Mikroprozessoren; Produktion und Vertrieb sind stark monopolisiert; die Nutzung ist immer von zentralisierter Versorgung abhängig (Energie, Kabel, usw. -George Orwell läßt grüßen!). Es ist bis zum Überdruck bekannt, daß sie Subsistenzarbeit nicht erleichtert." (200) Daß der Kampf gegen die absolute Weltherrschaft des Kapitals nicht aussichtslos ist, beweisen sie immer wieder an erzählten und berichteten Erfolgen, die ansonsten in der Medienberichterstattung immer unter den Tisch fallen. Erfolge:
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"Viele tausend Jahre lang haben unsere Ahnen in diesem Land gelebt, und sie haben überlebt, ohne jemanden von außen anzubetteln. Sie haben ihr eigenes, sich selbst erhaltendes Überlebenssystem aufgebaut. Hätten sie so gelebt, wie Sie, Herr Premierminister, vorschlagen (Land-Registrierung), Sie und ich wären längst in das Buch der untergegangenen Spezies der menschlichen Rasse eingegangen. Was unsere Ahnen uns gelehrt haben, ist vor allem, daß wir ohne exzessive Kontrolle und Manipulation von außen und von internationalen Institutionen leben können." (161) |
Erfolge der indischen Bürgerbewegungen gegen Globalisierung: (nach Resarch Foundation for Science, Technology and Ecology der UN-Sonderversammlung zu Rio plus):
<Ergänzung von A.S.: So sehr man sich über diese Erfolge freuen kann - sollte Indien wie viele andere Staaten auch dem jetzt zur Diskussion stehenden Multilateralen Investitionsabkommen (MAI) beitreten (müssen), werden solche nationalen Entscheidungen nicht mehr möglich sein, weil sie als "schleichende Enteigung" der Investoren gewertet werden und der Investor den Staat deswegen verklagen kann.> Gerade MAI zeigt, daß die einzige Rettung vor der weiteren Enteignung, Entwertung und Zerstörung die Nicht-Erpreßbarkeit auf Grundlage vorhandener Subsistenzproduktion ist. (Nebenbei: Im Unterschied zu noch vorhandenen Möglichkeiten in nichtkapitalistischen Ländern hatten die europäischen Bäuerinnen ihren Status oft nur zu gern aufgegeben, um endlich feine städtische Hausfrauen zu werden... ) weitere Literatur: Dirnhofer, W., Engstler, P., Schmiedl, C., Marktwirtschaft für Einsteiger, München 1990
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